Geschäftsführerhaftung in der Krise

Gerade in Krisenzeiten eines Unternehmens sind die Verantwortlichkeiten des Geschäftsführers besonders zu beachten. In Zeiten schwindender Liquidität und daraus entstehender Zahlungsschwierigkeiten können - abgesehen von der Krise des Unternehmens selbst - gerade auch für den Geschäftsführer Risken und persönliche Haftungen entstehen.

Wesentlich für die Vermeidung von Haftungsfolgen ist in einem ersten Schritt die Feststellung, ob und ab welchem Zeitpunkt sich die Gesellschaft bzw. das Unternehmen in einer insolvenzrechtlich beachtlichen Krise befindet. Unabdingbar für diese Feststellung, die in den Kernbereich der Geschäftsführerverantwortung fällt, ist unter anderem ein zeitgerechtes, angemessenes Reporting sowie ein Internes Kontrollsystem.


Ab wann liegt eine Krise vor?

Das Insolvenzrecht unterscheidet zwei Tatbestände:


* Den allgemeinen Insolvenztatbestand der Zahlungsunfähigkeit (gilt für alle Rechtsformen) und
* den für Gesellschaften/Vermögensmassen mit beschränkter Haftung (keine natürliche Person ist Vollhafter) geltenden Begriff der Überschuldung.


Diese Insolvenztatbestände führen zur Insolvenzantragspflicht, wobei dem verantwortlichen Organ gemäß § 69 Absatz 2 Konkursordnung (KO) eine Höchstfrist von 60 Tagen eingeräumt wird. Anders als bei der Zahlungsunfähigkeit hat eine sog. Zahlungsstockung (Liquiditätsunterdeckung für idR ca. 30 - 60 Tage) keine Insolvenzantragspflicht zur Folge. Im Falle einer drohenden (künftigen) Zahlungsunfähigkeit besteht ein Recht - jedoch keine Pflicht - des verantwortlichen Organs zur Stellung eines Ausgleichsantrags.

Wie sollte der Geschäftsführer die Zahlungsfähigkeit überprüfen?

Für Zahlungsunfähigkeit gibt es keine gesetzliche Definition. Zahlungsunfähigkeit liegt allerdings nach herrschender Praxis dann vor, wenn der Schuldner


* durch dauernden Mangel an flüssigen Mitteln nicht (mehr) im Stande ist, alle fälligen Schulden bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung in angemessener Frist zu begleichen (erste Prämisse) und 
* sich die erforderlichen flüssigen Mittel auch nicht alsbald beschaffen kann (zweite Prämisse).


Zur Überprüfung der aufrechten Liquidität sind (unter den gegebenen Fristigkeitsprämissen) die bekannten Liquiditäts- bzw. Vermögensdeckungskennzahlen "working capital" bzw. Liquidität 3. Grades in Verbindung mit einem zukunftsbezogenen Finanzplan und der Beachtung etwaiger freier Rahmen geeignet.

Was hat der Geschäftsführer bei Überschuldung zu tun?

Spätestens bei Vorliegen von buchmäßiger Überschuldung im Jahresabschluss hat der Geschäftsführer eine Überschuldungsprüfung (Fortbestehensprognose/Vermögensstatus) vorzunehmen. Die derzeit herrschende, anerkannte Lehrmeinung verlangt die Überprüfung, ob Überschuldung gegeben sein könnte, unter Umständen bereits in der Krise (vgl. URG Kennzahlen: weniger als 8 % Eigenmittel und mehr als 15 Jahre Schuldentilgungsdauer), nämlich dann, wenn der Fortbestand gefährdet sein könnte. Um die insolvenzrechtliche Überschuldung begründet ausschließen zu können, bedarf es einer (ausreichend) positiven Fortbestehensprognose oder eines positiven Status zu Liquidationswerten (was in der Praxis kaum vorkommt).


Eine positive Fortbestehensprognose muss


* für die planbare nächste Zukunft die Lebensfähigkeit des Unternehmens bzw. die Zahlungsfähigkeit (Wiedererlangung oder Aufrechterhaltung) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gewährleisten (Primärprognose), und
* die Darstellung eines absehbaren "Turn-arounds" im Sinne eines Erreichens der Gewinnzone (Sekundärprognose) enthalten.


Eine positive Fortbestehensprognose ist zur Beseitigung der insolvenzrechtlich relevanten Überschuldung nur dann erlässlich, wenn ein Vermögensstatus zu Liquidationswerten (=positiver Überschuldungsstatus) vorliegt, demzufolge alle Gläubiger im Falle der Vermögensliquidation befriedigt werden können. Dies stellt in der Praxis jedoch die Ausnahme dar.

Wesentliche Risken für verantwortliche Organe aus der Krise der Gesellschaft

Grundsätzlich ist zwischen strafrechtlichen und zivilrechtlichen Risiken zu unterscheiden. Die wesentlichsten strafrechtlichen Risken (Strafgesetzbuch - StGB) sind:


§ 153c StGB - Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung
§ 156 StGB - Betrügerische Krida
§ 158 StGB - Begünstigung eines Gläubigers
§ 159 StGB - Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen


Die wichtigsten zivilrechtlichen Haftungsrisken für verantwortliche Organe ergeben sich


* auf der Grundlage des § 25 GmbHG (Innenhaftung – "Verlust bzw. Quotenschaden"), der durch den Masseverwalter geltend gemacht werden kann und
* auf Grundlage einer Schutzgesetzverletzung (§ 69 KO), wobei nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens einzelne geschädigte (Neu-)Gläubiger den Ausgleich des vollen Vertrauensschadens einklagen können.


Darüber hinaus ergeben sich Risken auf Grund des § 9 BAO für nicht entrichtete Abgaben im Falle schuldhafter Verletzung auferlegter Pflichten.

Persönliche Haftung für Abgabenschulden

Voraussetzung der Geschäftsführerhaftung für Abgabenschulden ist die aufrechte Geschäftsführungsfunktion. Zum haftenden Personenkreis gehören der Geschäftsführer, die Vorstandsmitglieder einer AG bzw. einer Stiftung, Liquidatoren oder Masseverwalter sowie zur Geschäftsführung einer Personengesellschaft oder eines Vereines bestellte Personen. Der Geschäftsführer haftet nur für Abgabenschulden, deren Fälligkeitszeitpunkt innerhalb seines "aktiven" Zeitraums liegt (maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der tatsächlichen Niederlegung der Geschäftsführungstätigkeit).


Vorsicht auch, wenn in der Krise eine Vertretungsfunktion aufgenommen wird: Bei vor der Eintragung als Geschäftsführer entstandenen Rückständen muss der Geschäftsführer - um einer Haftung zu entgehen - diese feststellen und an das Finanzamt melden. Gerade wenn liquide Mittel der Gesellschaft so knapp werden, dass nicht sämtliche fälligen Verbindlichkeiten getilgt werden können, ist auf die "richtige" Reihenfolge bei der Bedienung von Abgabenschulden zu achten: Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer sind sogenannte Treuhandgelder, die in jedem Fall in voller Höhe abgeführt werden müssen, um eine Haftung zu vermeiden. Sofern die vorhanden Mittel nicht zur Abdeckung der Lohnsteuer ausreichen, sollte die Lohnauszahlung soweit reduziert werden, dass auch die anteilige Lohnsteuer bezahlt werden kann.


Für alle anderen Abgaben (zB Umsatzsteuer) gilt, dass die Abgabenbehörde in gleichem Maße wie alle anderen Gläubiger befriedigt/bedient werden muss (Gleichbehandlungsgrundsatz). Falls die Abgabenbehörde im Verhältnis zu anderen Gläubigern benachteiligt wird, haftet der Geschäftsführer für den entsprechenden Differenzbetrag. Grundsätzlich ist die Geschäftsführerhaftung als Ausfallshaftung gestaltet: Zu einer persönlichen Inanspruchnahme kommt es erst bei Uneinbringlichkeit der ausstehenden Beträge bei der Gesellschaft. Primär muss also die Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Bei Ausgleichen und Zwangsausgleichen der Gesellschaft ist für den Geschäftsführer auf Grund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beachten, dass er die Ausgleichsquote nicht für sich geltend machen kann, sondern darüber hinaus in Anspruch genommen werden kann!


Wird ein Haftungsbescheid gegen den Geschäftsführer ausgestellt, liegt die Beweislast, dass die ausbleibende Tilgung der Rückstände nicht aus einer Pflichtverletzung seinerseits resultiert, grundsätzlich beim Geschäftsführer. Aufgrund der strengen VwGH-Rechtsprechung zu dieser Nachweispflicht ist ein "Freibeweis" (Nachweis der anteiligen Befriedigung der Abgabenschulden) regelmäßig sehr schwer zu erbringen. Entscheidender Faktor für die Vermeidung der Haftung kann eine zeitnah erstellte, umfangreiche Dokumentation sein, die insbesondere vom Geschäftsführer installierte Überwachungs- und Kontrollmechanismen sowie eine gleichmäßige Bedienung von Schulden nachweist.

Persönliche Haftung für SV-Beiträge und Lohnnebenkosten

Ebenso wie die Lohnsteuer sind Dienstnehmeranteile zur Sozialversicherung als Treuhandgelder zu qualifizieren, sodass diese Beträge unbedingt zur Gänze abgeführt werden müssen. Bei unzureichenden Finanzmitteln sollten wiederum die Lohnauszahlungen reduziert werden. Zusätzlich verschärft wird diese Haftung des Geschäftsführers durch einen Tatbestand des Strafgesetzbuches, der die Nichtentrichtung von Dienstnehmeranteilen mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht.  Für Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag gilt dagegen der Gleichbehandlungsgrundsatz, wodurch es maximal zur Haftung für Differenzbeträge kommen kann. Auch die Kommunalsteuer und Beiträge an die Mitarbeitervorsorgekasse folgen grundsätzlich diesem Prinzip.

Tipps zur Vermeidung von Haftungsfolgen

Wesentliches Element zur Vermeidung von Haftungsfolgen ist die Beachtung der Gläubigergleichbehandlung und die Vermeidung einer Insolvenzverschleppung. Bei all den Risken sollte dennoch nicht auf eine optimale Vorbereitung und Auswahl geeigneter Sanierungsstrategien verzichtet werden.


Die wichtigsten Tipps sind:


* Sanierungs- bzw. Insolvenzberatung beauftragen;
* Erstellung einer Fortbestehensprognose;
* Unter Umständen: Rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages.